Gewerkschaft sind WIR - mit DIR!

Organizing-Ausbildung • Branchenübergreifend • 2008-2016 Österreich • Gewerkschaft Bau Holz (GBH)

Organizing statt Fusion – eine Erfolgsgeschichte

„Sollen wir fusionieren?“ Vor dieser Frage stand die Gewerkschaft Bau-Holz (GBH) im Jahr 2008. Angedacht war eine Fusion mit der österreichischen Metall-Gewerkschaft PRO-GE. Erfahrungen mit der Fusion bei ver.di und der Wunsch, sich die Eigenständigkeit zu bewahren, führten jedoch dazu, dass die GBH einen anderen Weg ging: Sie entschied sich für die Strategie, verbindliche Zielvereinbarungen für jeden Bezirk bzw. Hauptamtlichen mit Organizing zu kombinieren.

Sie orientierte sich dabei am von ORKA entwickelten Organizing-Modell, um das bestehende gewerkschaftliche Kerngeschäft mit neuen Ansätzen zu verbinden und weiter zu entwickeln: Mobilisierungskampagnen unterstützen Tarifverhandlungen, Erschließungs- und Organisierungsprojekte werden in Weißen-Flecken- resp. teilorganisierten Betrieben durchgeführt, Druckkampagnen als alternative Arbeitskampfform eingesetzt. Was das konkret heißt, stellt der folgende Film über Organizing bei der GBH vor:

Über die Auswirklungen berichtet GBH-Organizing-Verantwortliche Christian Schneeweiß: „Organizing zeigt Wirkung: Die Beschäftigten, die mit uns gemeinsam Organizing-Aktivitäten umgesetzt haben, verändern die betriebliche Situation, sind zufriedener, bestehende Betriebsräte werden gestärkt, neue Betriebsräte gegründet und die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder steigt.“

Mittlerweile hat die GBH leicht wachsende Eintrittszahlen (derzeit ca. 116 000 Mitglieder), und die Teamarbeit unter den Hauptamtlichen hat sich positiv weiterentwickelt. Die meisten der jährlichen Organisierungsprojekte sind erfolgreich. Die dritte Mobilisierungskampagne zu einer Tarifrunde wurde 2016 erfolgreich abgeschlossen. Druckkampagnen gab es immer wieder, nehmen jedoch im österreichischen System der Sozialpartnerschaft einen anderen Charakter an als in Deutschland.

Gründe für den Erfolg – Organizing als festen Bestandteil der Gewerkschaftsarbeit verankert

Seit der Entscheidung gegen das Fusionieren ist Organizing fester Bestandteil der Arbeit in der GBH geworden. Alle rund 60 GBH-Sekretäre haben eine Organizing-Ausbildung im Kompetenzzentrum Jägermayrhof in Linz absolviert. Der Jägermayrhof hat unter der Federführung von Gerhard Gstöttner-Hofer eine österreichische Organizing-Ausbildung gemeinsam mit den ORKA-Campaignern Ulrich Wohland und Peter Renneberg entwickelt und etabliert. Dort gibt es regelmäßige ÖGB-Seminare für die österreichischen Gewerkschaften und die Sozialakademie (SOZAK) zu diesem Thema. Seit 2009 bildet die GBH im Rahmen ihres Bildungsprogrammes auch eigenständig Betriebsrät*innen zu Organizer*innen aus.

Mittlerweile gibt es für jedes der neun österreichischen Bundesländer in der GBH einen Koordinator Organizing (KO). Insgesamt betreuen sie laufend zwischen 15-30 Organizing-Projekte. Die Arbeitsgruppe der KOs ist auch für die Fortentwicklung von Organizing in der GBH insgesamt zuständig. Unter Leitung des GBH-Organizing-Verantwortlichen Christian Schneeweiß arbeiten sie an folgende Aufgaben:

  1. Planung von strategischen Organisierungsprojekten und Kampagnen
  2. Ausbildung von internen und externen Organizer*innen
  3. Regelmäßiger Erfahrungsaustausch & Follow-ups für alle Sekretär*innen
  4. Qualifikation von Betriebsrät*innen und Aktiven
  5. Prozessbegleitung und Koordinierung in ihrem Bundesland

ORKA hat die GBH seit 2008 kontinuierlich unterstützt und begleitet den Organizing-Prozess auch weiterhin. Einzelseminare, die Moderation von Treffen der Koordinatoren, die Qualifizierung neuer Hauptamtlicher, sowie Beratung bei konkreten Kampagnen und Organizing-Projekten finden regelmäßig statt.


Eine ausführlichere Darstellung findet sich im Artikel Organizing in Österreich. Das Beispiel der Gewerkschaft Bau-Holz von Christian Schneeweiß (2013) (Erschienen in Organizing im VSA-Verlag).